Integrative Medizin mit komplementären Therapieverfahren wie Homöopathie

© ndy Bleichner, GeVi_10, Medizinische Hochschule Hannover,

„Homöopathie hilft ergänzend bei chronischen Erkrankungen, die sich konventionell schwer behandeln lassen“

Mehr als jeder zweite Erwachsene in Deutschland leidet an einer chronischen Erkrankung, zeigen aktuelle Zahlen des Robert Koch Instituts. Die erforderliche konventionelle Therapie brechen Betroffene oft ab, weil sie langwierig ist, subjektiv keine Besserung bringt und häufig von Nebenwirkungen begleitet ist. In dieser Situation kann die Integrative Medizin Lösungen anbieten, die zu Symptomlinderung sowie mehr Lebensqualität führt und die Compliance verbessert. Viele Patienten haben gerade auch mit der Homöopathie als komplementärmedizinischer Methode zufriedenstellende Erfahrungen gemacht. Darüber haben die integrativ-onkologische Ärztin Prof. Dr. Dr. Diana Steinmann von der Medizinischen Hochschule Hannover, der Chefarzt des Krankenhauses für Naturheilweisen in München, Robert Schmidt, und der langjährige homöopathische Heilpraktiker Stefan Reis mit der Initiative Gesunde Vielfalt gesprochen.

Mit 53,7 Prozent leben aktuell mehr als die Hälfte aller Erwachsenen in Deutschland mit einer chronischen Erkrankung. Das hat das Robert Koch Institut im Sommer 2025 mitgeteilt1. Chronisch krank zu sein bedeutet in der Regel, für immer auf eine entsprechende, leitliniengerechte Therapie angewiesen zu sein. Dadurch werden objektivierbare Werte wie etwa Blutzucker oder Blutdruck zwar besser, die Betroffenen fühlen sich aber nicht so. Häufig kommen auch Nebenwirkungen der erforderlichen, konventionellen Medikation hinzu, insbesondere bei gravierenderen Erkrankungen wie Krebs. Aus diesen Gründen brechen Patienten ihre konventionelle Therapie oft im Laufe der Zeit ab. Ihnen kann die Integrative Medizin adäquate Lösungen für Symptomlinderung und mehr Lebensqualität anbieten. Eine integrativmedizinische Möglichkeit ist die ergänzende, nebenwirkungsarme Behandlung mit Homöopathie.

Homöopathie fördert die Compliance bei starken Nebenwirkungen

„Ich empfehle Patienten auf Wunsch ein homöopathisches Mittel begleitend bei Nebenwirkungen der Krebstherapie, für die wir in der konventionellen Medizin manchmal an Grenzen stoßen”, bestätigt Prof. Dr. Dr. Diana Steinmann. Die erfahrene Medizinerin leitet das Klaus-Bahlsen-Zentrum für Integrative Onkologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Viele Patienten hätten sehr gute Erfahrungen mit potenziertem Nux vomica (Brechnuss) als Mittel gegen Übelkeit gemacht, die mit einer Chemotherapie häufig einhergeht. Eine ärztliche Kollegin könne mit der Gabe von potenziertem Staphisagria (Stephanskraut) häufig Patienten mit Brennen beim Wasserlassen unterstützen, das nach einer Bestrahlung des Beckens auftreten kann. Solche Erfahrungen entlasteten die Menschen und verschafften ihnen mehr Lebensqualität, während sie eine Krebstherapie auf sich nehmen müssten. „Für uns ist es umso besser, wenn das Mittel selbst keine weiteren Nebenwirkungen hervorruft”, betont Prof. Dr. Dr. Diana Steinmann: „Richtig eingesetzt von geschulten Therapeuten kann Homöopathie bei chronischen Erkrankungen hilfreich und sinnvoll sein, die sich konventionell schwer behandeln lassen. Wie mit anderen integrativmedizinischen Verfahren auch können wir mit der Homöopathie manchmal überhaupt erst erreichen, dass Patienten die erforderliche konventionelle Therapie nicht abbrechen, sondern bis zum Ende fortsetzen.”

Homöopathie kann bei vielen chronischen Erkrankungen hilfreich sein

Den Wert von Homöopathie gerade auch bei chronischen Leiden betont ebenfalls Robert Schmidt, Chefarzt am Krankenhaus für Naturheilweisen (KfN) in München. „In der Regel müssen diese Menschen für den Rest ihres Lebens damit zurechtkommen und Integrative Medizin wie etwa die klassische Homöopathie kann hierbei gut unterstützen und die Lebensqualität verbessern“, sagt der Internist und homöopathische Facharzt. „Wir sehen das etwa bei rheumatoider Arthritis, beim Fibromyalgie-Syndrom oder auch bei chronisch-entzündlichen Haut- und Darmerkrankungen“, berichtet Robert Schmidt, der auch Beiratsmitglied der Initiative „Gesunde Vielfalt“ ist. „Wir setzen Homöopathie komplementär ein, wenn die Patienten dies wünschen. Gerade bei chronischen Erkrankungen, gegen die die konventionelle Medizin allein noch keine ideale Lösung gefunden hat, ist dies eine gute Möglichkeit.“

Homöopathie als Langzeittherapie für Symptomlinderung – auch bei Post Covid

Das Krankenhaus für Naturheilweisen behandele auch viele Patienten, die aufgrund des Post Covid-Syndroms unter anderem an langanhaltender Fatigue, geringer Belastungstoleranz und Schmerzen litten. „Hier unterstützen wir erfolgreich homöopathisch, können aber zunächst nur einen Anfang machen“, erklärt Robert Schmidt, „wir empfehlen Patienten dann immer auch, nach zwei, drei Monaten einen niedergelassenen Homöopathen aufzusuchen.“ Denn hinzukomme: Eine homöopathische Behandlung bei chronischen Erkrankungen gehe in der Regel über mehrere Monate oder noch länger: „Meist sind im langfristigen Verlauf auch verschiedene Mittel und Potenzen notwendig”, so der Chefarzt, „daher ist eine regelmäßige homöopathische Verlaufsbeurteilung unerlässlich.“

Deutlich verbesserte Studienlage zur Homöopathie

Homöopathie anzuwenden ist zudem wissenschaftsbasiert. „Hinsichtlich der Evidenz sind wir deutlich besser aufgestellt als noch vor 20 Jahren“, betont auch Prof. Dr. Dr. Diana Steinmann, „es hat einen enormen Zuwachs an Studien gegeben, darunter einen Review2 von 2023, der sechs Metaanalysen von kontrolliert-randomisierten Studien ausgewertet hat, die positive Wirkungen jenseits eines Placeboeffekts zeigen.“ Prof. Dr. Claudia Witt3 von der Berliner Charité etwa habe in einer Studie4 mit fast 4.000 chronisch erkrankten Teilnehmern gezeigt, dass homoöpathische Behandlungen über zwei Jahre hinweg zu deutlichen Verbesserungen geführt hätten, etwa bei Muskel- und Gelenkschmerzen. Prof. Dr. Dr. Diana Steinmann und Robert Schmidt können sich für ihre komplementärmedizinische Vorgehensweise somit nicht nur auf ihre eigenen, langjährigen Erfahrungen stützen, sondern auch auf eine umfassende Studienlage. Darüberhinaus legt die Homöopathie als patientenzentrierte Methode der Integrativen Medizin großen Wert darauf, die Bedürfnisse, Wünsche und Erfahrungen der Patienten ausdrücklich zu berücksichtigen.

Homöopathie kann begleitend helfen, neue Komplikationen zu vermeiden

Aus der Forschung gebe es zudem Hinweise darauf, dass Homöopathie kosteneffizient sein kann5, wie Robert Schmidt sagt: „Wir haben damit die Chance, ohne große finanzielle Belastung des Gesundheitssystems für die Patienten noch einmal etwas richtig Positives zu bewirken, ohne deshalb auf etablierte Therapien zu verzichten“, so der Chefarzt des KfN, es gehe dabei immer um Synergien, um das bestmögliche Ergebnis für die Patienten zu erreichen, mit Symptomverringerung und mehr Lebensqualität. „Essenzielle Therapien wie eine Krebs-Operation wollen wir keineswegs ersetzen, wir sind froh, dass etwa ein Tumor damit zunächst einmal entfernt wird“, betont Robert Schmidt, „aber danach treten häufig über Jahre neue Komplikationen und Symptome auf, die weitere immense Kosten verursachen.“ Es sei das große Potenzial der Homöopathie, dies möglichst zu vermeiden und frühzeitig begleitend zur ursächlichen Therapie die Lebensqualität zu verbessern, die Selbstwirksamkeit zu erhöhen „und so sicher Kosten einzusparen“. Denn die Patienten würden sich dadurch insgesamt besser fühlen und sich im Idealfall auch wieder mehr bewegen, sich ausgewogener ernähren und insgesamt gesünder leben6 – und ihre konventionelle Therapie fortführen.

Mit Homöopathie das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Körpers wieder herstellen

Gerade der Aspekt der Selbstwirksamkeit als wertvolle Bewältigungsstrategie ist auch Stefan Reis ein zentrales Anliegen. Der als Therapeut, Dozent und Supervisor zertifizierte7 Heilpraktiker mit eigener Praxis in Mülheim an der Ruhr sagt: „Bei schweren Erkrankungen ist man oft nicht mehr Kapitän auf dem ,eigenen Schiff‘, also dem eigenen Körper“, schildert der Therapeut die Erfahrung vieler Patienten. Vielen Menschen komme dadurch das Vertrauen in ihre Fähigkeiten zur Selbstheilung und Selbstregeneration abhanden. „Neben der eigentlichen homöopathischen Behandlung ist meine Aufgabe als Homöopath, das Erleben, selbstwirksam zu sein, wieder herzustellen“, fügt Stefan Reis hinzu, der im Vorstand des Verbands Klassischer Homöopathen Deutschlands e.V. ebenfalls aktiv ist.

In der Praxis gehe es nie darum, „dass ich meine persönlichen Vorstellungen von Therapie durchsetze“, betont Stefan Reis, sondern wie dem Patienten am besten geholfen werde: „So ist in jedem Einzelfall und in Absprache mit den Patienten zu entscheiden, ob die klassische Einzelmittelhomöopathie allein oder komplementär zu konventioneller Medizin oder noch weiteren Maßnahmen, also einander ergänzend, eingesetzt werden sollte. Für uns homöopathische Heilpraktiker steht der Mensch im Mittelpunkt.“

Arbeiteten verschiedene medizinische Berufs- und Fachgruppen vor diesem Hintergrund gar zusammen und stimmten sich in der Vorgehensweise ab, ermögliche das eine besonders umfassende Behandlung – vielfach sei das noch Zukunftsmusik, aber unter dem Aspekt von kooperativem Miteinander und patientenzentrierter Medizin eine nachdenkenswerte Option. „Positive Erfahrungen mit diesem Setting mache ich seit Jahren, etwa wenn Patienten mit einer onkologischen Erkrankung in meine Praxis kommen, auch um Rat zu suchen, was sie selbst tun können, um sich aktiv zu unterstützen“, betont Stefan Reis und ergänzt: „Integrative Medizin, zu der die Homöopathie gehört, will eigenverantwortliche, selbstbestimmte Menschen. Davon profitieren wir alle, auch das Gesundheitssystem.”

Quellen:
1www.gbe.rki.de/DE/Themen/Gesundheitszustand/Krankheitsfolgen/Funktionseinschraenkungen/ChronischesKranksein/chronischesKranksein_node.html?darstellung=0&kennzahl=1&zeit=21&geschlecht=0&standardisierung=0
2 https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10559431/pdf/13643_2023_Article_2313.pdf
3 https://epidemiologie.charite.de/metas/person/person/address_detail/prof_dr_med_claudia_m_witt_mba/
4 https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC1298309/pdf/1471-2458-5-115.pdf
5 Full article: Overview and quality assessment of health economic evaluations for homeopathic therapy: an updated systematic review
6 Influence of adjunctive classical homeopathy on global health status and subjective wellbeing in cancer patients – A pragmatic randomized controlled trial – ScienceDirect
7 www.homoeopathie-zertifikat.de

„Wie mit anderen integrativmedizinischen Verfahren auch können wir mit der Homöopathie manchmal überhaupt erst erreichen, dass Patienten die erforderliche konventionelle Therapie bis zum Ende fortsetzen.“

Prof. Dr. Dr. Diana Steinmann, Leiterin des Klaus-Bahlsen-Zentrums für Integrative Onkologie der Medizinischen Hochschule Hannover

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