Prof. Dr. med. Jost Langhorst
Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie, Naturheilkunde und Psychotherapie
PROF. DR. MED. JOST LANGHORST: War die Medizin lange sehr eminenzbasiert, vollzog sich Ende des letzten Jahrhunderts ein Paradigmenwechsel. In den 1990er-Jahren wurde die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erstmals damit beauftragt, Plattformen für Leitlinien zu erstellen. In den ersten nahezu 20 Jahren der Arbeit der AWMF fehlte jedoch eine Fachgesellschaft in diesem Prozess, die den Bereich Naturheilkunde vertreten hat. 2011 haben wir am Lehrstuhl für Naturheilkunde in Essen die Taskforce „Naturheilkunde und Komplementärmedizin in Medizinischen Leitlinien“ gegründet, unterstützt durch die Deutsche Gesellschaft für Naturheilkunde, die Gesellschaft für Phytothera- pie und das Forum universitärer Arbeitsgruppen für Komplementärmedizin. Seitdem haben wir an über 40 Leitlinien mitgearbeitet.
Viele medizinische Wissenschaftler und auch Praktiker denken bei Naturmedizin vor allem an Erfahrungsmedizin.
Um naturheilkundliche Behandlungen in den Therapieleitlinien zu etablieren, State of the Art“-Belege für die klinische Wirksamkeit und Verträglichkeit am Patienten für individuelle Indikationen.
Der Goldstandard dafür sind sogenannte RCTs (Randomized Controlled Trials). Für zahlreiche naturmedizinische Wirkstoffe gibt es solche Studien. Leider werden sie wissenschaftlich nicht immer adäquat wahrgenommen, und genau darin sehen wir eine unserer Aufgaben innerhalb der Konsensuskonferenz für eine Leitlinie. In der wissenschaftlichen Diskussion der vorliegenden Studienergebnisse zu unterschiedlichen naturheilkundlichen Ansätzen im untersuchten Behandlungsbereich gelingt dann auch die Integration in die Leitlinien.
Ich habe kürzlich mit einem Dekan einer sehr konservativen Universität in Bayern darüber gespro- chen. Er hat bestätigt, dass die Integrative Medizin enorm an Seriosität und an Deutungskraft gewonnen hat. Und berufspolitisch ist die Bedeutsamkeit der Leitlinienarbeit in der Naturheilkunde und Komplementärmedizin für diesen Prozess gar nicht hoch genug einzuschätzen.
Prof. Dr. med. Jost Langhorst studierte Humanmedizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (1987–1994). Er promovierte 1995, habilitierte 2008 im Fach Naturheilkunde. 2019 wurde er Direktor der neuen Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde am Klinikum am Bruderwald in Bamberg.
Prof. Dr. med. Jost Langhorst
Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie, Naturheilkunde und Psychotherapie