Nichts ist so wichtig wie die Gesundheit meiner Kunden

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Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekenkammer, leitet selbst zwei Apotheken in Bayern und weiß, wie entscheidend die persönliche und fachliche Beratung in der Apotheke ist.

Apothekerinnen und Apotheker sind Experten für Arzneimittel und kennen ihre Kunden oft persönlich. Welche Bedeutung hat die Apotheke vor Ort für die Gesundheitsversorgung der Bürger?

Die Apotheke ist für die Gesundheitsversorgung der Bürger ganz wichtig: Sie versorgt sie wohnort- und zeitnah mit Arzneimitteln. Wir Apotheker bauen ein besonderes Vertrauensverhältnis zu unseren Patienten auf. Wir kennen ihr persönliches Umfeld und können daher viele ihrer gesundheitlichen Probleme einordnen. Gemeinsam mit den Ärzten können wir die Bedürfnisse der Patienten in den Mittelpunkt stellen. Von besonderer Bedeutung ist auch die Niederschwelligkeit der Apotheke, man kann jederzeit ohne Anmeldung vorbeikommen.

In Arztpraxen ist oft nicht viel Zeit für die Patienten, wird da die Rolle des Apothekers oder der Apothekerin nicht immer wichtiger?

Viele Patienten nehmen zusätzlich neben den ärztlich verordneten auch Medikamente ohne Verschreibungen ein, nach dieser Selbstmedikation wird in Arztpraxen oft gar nicht gefragt. Hier kann es zu Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen kommen, das fällt dann eher in der Apotheke auf. Deshalb empfehle ich allen, sich eine Stammapotheke zu suchen. Dort kennen wir die Patienten einschließlich ihrer Erkrankungen und Arzneimitteltherapie und können sie besser beraten.
Wir bitten die Patienten und Patientinnen, von der Kundenkarte Gebrauch zu machen. Diese erleichtert es herauszufinden, ob sich Medikament A mit Medikament B verträgt, da auf ihr alle Arzneimittel gespeichert werden. Wenn ich beispielsweise eine Patientin habe, die eine Antibabypille einnimmt und ein Kohlepräparat gegen Durchfall möchte, weise ich darauf hin, dass die Aktivkohle den Wirkstoff der Antibabypille adsorbiert und diese unwirksam sein könnte. Ich empfehle dann ein anderes geeignetes Arzneimittel gegen ihre Durchfallerkrankung.

Gerade die Polymedikation, also die Einnahme von fünf und mehr Medikamenten gleichzeitig, betrifft viele multimorbide Menschen, darunter vielfach ältere Kunden. Wie beraten Sie in solchen Fällen?

Wir Apotheker bitten die Patienten, alle ihre Medikamente in der Apotheke vorzuzeigen. Wenn jemand zum Beispiel ein Schmerzmittel mit Acetylsalicylsäure (ASS) gegen Kopfschmerzen in seinem häuslichen Vorrat hat und zusätzlich ein gerinnungshemmendes Mittel zur Herzinfarktprophylaxe nimmt, können wir sofort darauf aufmerksam machen, dass Acetylsalicylsäure aufgrund ihrer ebenfalls blutverdünnenden Wirkung für ihn nicht geeignet ist. Hier würden wir raten, auf ein Schmerzmittel mit einem anderen Wirkstoff umzusteigen. Sollte dieses Mittel verschrieben worden sein, würde man, natürlich im Einverständnis mit dem Patienten, den Arzt oder die Ärztin hinzuziehen. Diese pharmazeutische Dienstleistung können Menschen, die regelmäßig mindestens fünf Medikamente einnehmen, einmal im Jahr kostenlos in Anspruch nehmen.

Gerade in der Corona-Pandemie kamen auf die Apotheken neue Aufgabenfelder zu. Was galt es zu bewältigen?

Die Apotheker und Apothekerinnen stellten Desinfektionsmittel her, verteilten Masken, übernahmen die Bearbeitung des digitalen Impfnachweises. Viele Apotheken boten und bieten auch Antigentests an und versorgen die Praxen mit COVID-19-Impfstoffen. Eine Reihe Apotheken bietet jetzt auch selbst COVID-19-Impfungen an. Das alles haben die Apotheken in kürzester Zeit umgesetzt. Dies hat uns in der Bevölkerung viel Anerkennung gebracht. Viele Bundesbürger haben bemerkt: Unsere Apotheke ist wirklich für uns da.

Was hat sich durch Corona in der Apotheke noch getan?

Bezüglich des Testens gab es Schulungsangebote, zudem haben wir fast 10.000 geschulte Apotheker und Apothekerinnen, die neben Corona seit November auch gegen Grippe impfen. Das sehen wir als gute Ergänzung zu den Impfungen in den Praxen. Wir erreichen durch dieses Angebot eine ganz andere Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern, jüngere Menschen, die gar keinen Hausarzt haben und sich in der Apotheke relativ spontan impfen lassen.

Wie sehen Sie die Rolle der Beratung in der Apotheke in puncto Patientensicherheit?

Es gibt drei verschiedene Kategorien von Arzneimitteln: Erstens verschreibungspflichtige Arzneimittel, bei denen Ärzte entscheiden, welcher Patient welches verschreibungspflichtige Arzneimittel bekommt. Bei diesen Arzneimitteln erklärt der Apotheker dem Patienten zum Beispiel die korrekte Anwendung oder ob das Medikament vor oder nach der Mahlzeit eingenommen werden soll.

Zweitens gibt es apothekenpflichtige Arzneimittel. Diese kann der Patient ohne ärztliche Verschreibung in der Apotheke bekommen. Meist sind sie gut verträglich und haben ein vergleichsweise geringes Nebenwirkungsrisiko, aber auch zu diesen ist die Beratung in der Apotheke wichtig. Beispiel Erkältung: Zu Beginn der Infektion tritt vor allem trockener Husten auf. In diesem Stadium können Hustenstiller eingenommen werden, auch um besser schlafen zu können. Wenn sich der Husten im Laufe einer Erkältung ändert und mehr Schleim produziert wird, wäre ein Hustenstiller ganz falsch. Dann brauchen Patienten eher einen Hustenlöser, der das Abhusten des Schleims unterstützt. Das erklärt der Apotheker dem Patienten in der Selbstmedikation.

Schließlich gibt es noch komplett frei verkäufliche Arzneimittel, diese haben meist nur einen geringen Wirkstoffgehalt und meist nur ein geringes Risiko für Nebenwirkungen. Bei solchen Mitteln spielt der fachliche Rat in den Apotheken dennoch ebenfalls eine Rolle, denn Apotheker wissen, wie solche Medikamente eingenommen werden und welche Wechselwirkungen sie haben können. Aus meiner Sicht spielen die apothekenpflichtigen Arzneimittel eine sehr wichtige Rolle, insbesondere auch im Nacht- und Notdienst. Denn rund die Hälfte der Menschen, die den Notdienst aufsuchen, haben keine ärztliche Verschreibung, sondern möchten ein Arzneimittel aus der Selbstmedikation oder können mit einem solchen versorgt werden. Auch in diesen Fällen ist die sachkundige Beratung ganz wichtig.

Warum ist die Apothekenpflicht und damit die Beratung auch für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel für Patienten so essenziell?

Viele Medikamente sind äußerst beratungsbedürftig, wie Vitamin D oder pflanzliche Präparate. Habe ich zum Beispiel ein gutes pflanzliches Produkt gegen Blasenentzündung, empfehle ich den Patienten, es ein paar Tage zu nehmen und viel zu trinken. Wenn sich jedoch in dieser Zeit keine Besserung einstellt, rate ich dringend zum Arzt zu gehen. Hätte der Patient das Mittel in einer Drogerie ohne Beratung gekauft, wäre das Risiko sehr hoch, dass er die Blasenentzündung verschleppt und unter Umständen eine Nierenbeckenentzündung bekommt.

Wie ist die Qualität von Arzneimitteln in Deutschland zu bewerten?

Bezüglich der Qualität von Arzneimitteln liegen wir im Vergleich zu anderen Ländern weit vorne. Probleme, die in den Apotheken auffallen, melden wir an die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker. Dort gehen im Jahr etwa 10.000 Meldungen ein. Apotheker haben unter anderem die Aufgabe, Arzneimittel stichprobenartig zu kontrollieren. Indem 18.000 Apotheken, so viele haben wir in Deutschland, das täglich tun, spannen wir ein Sicherheitsnetz für unsere Patienten. Bei der Stichprobe in der Apotheke lässt sich schnell feststellen, ob ein spezieller Saft beispielsweise ausgeflockt oder ob eine Packungsbeilage veraltet ist. Außerdem haben wir mit Securpharm ein europaweites System, an das die Apotheken angeschlossen sind und das in Deutschland sehr gut umgesetzt wird: Hier wird jedes einzelne verschreibungspflichtige Medikament quasi als „Einzelstück“ per Scan kontrolliert und mit einer Datenbank abgeglichen, was wesentlich vor Fälschungen oder Duplikaten schützt.

Wie verhält sich das in den Online-Apotheken?

Viele Online-Apotheken sind registrierte und behördlich überwachte deutsche Vor-Ort-Apotheken, die sind natürlich sicher. Dies gilt aber nicht für Online-Anbieter aus dem Ausland. Diese unterliegen nicht einer Überwachung nach dem deutschen Gesetz und so ist das Risiko groß, dass die Qualität der Arzneimittel nicht in Ordnung ist oder sie gar gefälscht sind.

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