„Viele Menschen wünschen sich, ganzheitlich versorgt zu werden“

© Ingo Kosick

Ariane Kosick-Albitz ist Heilpraktiker-Anwärterin. Im Interview mit „Gesunde Vielfalt“ berichtet die 47-jährige, wie sie die passende Heilpraktikerschule gefunden hat, wie die amtsärztliche Prüfung abläuft und welche Vorteile es für Patienten und Patientinnen hat, wenn Ärzte und Heilpraktiker zusammenarbeiten.

Frau Kosick-Albitz, Sie machen derzeit eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Wie kam es zu dem Impuls?

Seit sieben Jahren habe ich hier in Lüdinghausen (NRW) ein eigenes Yoga-Studio und in meinen Kursen mit ganz verschiedenen Menschen zu tun. Meine zweijährige Ausbildung zur Yogalehrerin war so ausgerichtet, dass ich die von den Krankenkassen zertifizierten Präventionskurse geben kann. So arbeite ich auch yoga-therapeutisch und habe viele Kursteilnehmer, die von ihren Befindlichkeiten und Schmerzen berichten. Es gab dann eine Teilnehmerin, die jahrelang unter Verspannungen im Nacken, starkem Ziehen im Hinterkopf und schweren Migräne-Attacken litt. Während eines intensiven Gespräches habe ich gefragt, ob ich sie genauer betrachten dürfe. Dabei habe ich gesehen, dass sie auf Knöchelebene eines Fußes einen leichten Schiefstand hatte, der sich über die Knie, Hüften und Schultern nach oben zog. Ich habe ihr dann geraten, einen Osteopathen aufzusuchen. Nach ein paar Wochen ist sie zu mir gekommen und hat gesagt: „Ariane, du hast mir den Tipp gegeben. Meine Beschwerden haben sich um ein Vielfaches verringert, einfach weil diese Fußfehlstellung, ein Knickfuß, behandelt wurde!“ Sicherlich war es die ganzheitliche Betrachtungs- und Behandlungsweise des Osteopathen, die ihr geholfen hatte. Und mir wurde einmal mehr klar, wie wichtig es ist, den Menschen in seiner Gesamtheit wahrzunehmen. So ist in mir der Wunsch entstanden, Heilpraktikerin zu werden und diese Sicht auf den Menschen auf einen ganzheitlichen, festen Sockel zu stellen.

Wie haben Sie die für Sie passende Heilpraktiker-Schule gefunden?

Ich wollte in jedem Fall kein Fern- oder Onlinestudium absolvieren, sondern eine Schule in Präsenz finden. Dann bekam ich den Tipp, mich an die Hufelandschule in Senden zu wenden, die im Verbund mit der Heilpraktikerpraxis ihres Leiters Michael Herzog zahlreiche gute Bewertungen und einen hervorragenden Ruf hat.

Ausbildungsstart und die Struktur der Schule – alles passte dann für mich. Letztere ist von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich. Bei der Hufelandschule kann man zwischen einem wöchentlichen Tageskurs, einem Abendkurs oder Wochenendkursen wählen. Ich habe mich für den wöchentlichen Tageskurs entschieden, da ich diesen mit Beruf und Familie am besten vereinbaren konnte.

Die Ausbildung dauert mehrere Jahre, wie ist sie strukturiert?

Angefangen habe ich im September 2020, also vor gut zweieinhalb Jahren. Jetzt stehe ich vor der amtsärztlichen Prüfung. Das Curriculum hatte eine beständige Reihenfolge, baute gut aufeinander auf, angefangen von Anatomie, Physiologie bis hin zur Pathologie. Es wurden alle Organsysteme besprochen inklusive der Funktion kleinster Zellen, Erkrankungen wie der rheumatische Formenkreis – also im Endeffekt erarbeitet man den kompletten Menschen mit seinen eventuellen Erkrankungen und den jeweiligen Therapiemöglichkeiten.

Wöchentlich hatte ich fünf Unterrichtsstunden. In mindestens zehn Wochenstunden habe ich dann alles entsprechend nachgearbeitet. Uns unterrichteten erfahrene Therapeuten, Heilpraktiker, Ärzte, Osteopathen und Physiotherapeuten. Zudem wurden wir von den renommierten Heilpraktikern Michael Herzog und Dagmar Wolf begleitet. Beide sind im Bund Deutscher Heilpraktiker e.V. (BDH) sehr aktiv und sind bekannte Sachbuchautoren. Außerdem betreute uns eine Dozentin, eine Art Klassenlehrerin, die ebenfalls Heilpraktikerin ist.

Kann man sich schon in der Ausbildung auf etwas spezialisieren?

Es gibt zahlreiche Zusatzseminare, mit denen man während der Ausbildung eigene Schwerpunkte setzen kann. Ich habe mich auf Schmerzbehandlungen nach der Dorn-Breuß-Methode und der Craniosakraltherapie spezialisiert. Inzwischen interessiere ich mich auch sehr für Diabeteserkrankungen sowie Ernährungs- und Darmtherapie – ich finde es spannend, wie Beides inhaltlich zusammenhängt. Durch Praktika kann man sich ebenfalls spezialisieren. Sie sind nicht vorgeschrieben, aber gern gesehen – und machen natürlich Sinn.

Die amtsärztliche Prüfung gilt als anspruchsvoll und setzt das Mindestalter von 25 Jahren voraus. Wie wird sie ablaufen?

Zunächst gibt es eine schriftliche Klausur. Dann folgt eine mündliche Prüfung. Inhaltlich ist das Ganze breit gefächert, in beiden Prüfungsteilen werden Inhalte der gesamten Ausbildung abgefragt. Vom Blutdruckmessen bis hin zu den verschiedenen Formen der Leukämie. In der mündlichen Prüfung erwarten uns drei Prüfer: ein Amtsarzt und zwei Beisitzer, häufig Heilpraktiker. Es werden Fallbeispiele aus der Praxis mit Beschwerdebild geschildert. Wir müssen erklären, um welches Krankheitsbild es sich handeln könnte, und wie man vorgehen würde. Zudem werden Notfälle abgefragt, beispielsweise ein stummer Herzinfarkt oder Schlaganfall. Da können die Beschwerde-Bilder ganz unterschiedlich aussehen: Wenn ich einen Patienten mit akutem Herzinfarkt habe, der ansonsten kerngesund ist, wird er wahrscheinlich wahnsinnige Schmerzen im Brust- und Armbereich haben. Wenn mir aber ein Diabetiker gegenübersitzt, der eine Polyneuropathie hat, spürt er die Schmerzen nicht. Da wäre es fatal, wenn ich nicht erkenne, dass es sich um einen Diabetiker handelt, der gerade einen stummen Herzinfarkt durchlebt.

Wie bereiten Sie sich auf die Prüfung vor?

Auf die schriftliche Prüfung kann ich mich mit Altklausuren vorbereiten. Dann haben wir Repetitorien, in denen man wöchentlich mit einer Dozentin oder einem Dozenten verschiedene Patientenfälle durchspielt. Diese werden, so wie später in der mündlichen Prüfung, abgefragt.

Sie haben die Ausbildung fast abgeschlossen, sind Sie mit der Ausbildungsstruktur zufrieden gewesen?

Ich fand die Ausbildung anspruchsvoll und ausgesprochen umfassend, vor allem den praxisnahen Austausch mit den Dozenten. Wir konnten alle Fragen stellen und bekamen Zusammenhänge ausführlich erklärt. Das half mir sehr, den gesamten Kontext zu durchdringen. Insofern befürworte ich eine klar reglementierte Ausbildung an einer entsprechenden Institution. Inhaltlich wäre es schön, wenn Praktika als feste Bausteine in der Ausbildungsordnung verankert würden.

Möchten Sie später eine Praxis eröffnen oder im Team arbeiten?

Etwa ab Herbst würde ich mich gerne nach Räumen umschauen, die den Hygienerichtlinien entsprechen. Bis dahin werde ich noch die eine oder andere Fortbildung machen. Meine Spezialisierungen auf die Dorn-Breuß-Therapie und Craniosakraltherapie muss ich noch beenden. Als Heilpraktikerin bin ich ohnehin verpflichtet, eine gewisse Anzahl an Fortbildungsstunden zu absolvieren.
Ich möchte die Naturheilkunde gerne mit Yoga kombinieren, also meine bisherige Yoga-Therapie noch verfeinern und erweitern. Ich denke, Ende des Jahres kann ich durchstarten. Ob im Team oder allein – ich schaue, was sich ergibt.

Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen und Medizinern im Sinne einer Integrativen Medizin?

Generell fände ich es gut, wenn Ärzte und Heilpraktiker intensiver zusammenarbeiten würden. Wenn sie sich in Verbänden zusammenschließen und Gemeinschaftspraxen bilden würden. Der Bedarf ist da: Ich bin der festen Überzeugung, dass sich viele Menschen wünschen, fachübergreifend betrachtet zu werden. Es ist Ihnen – so meine Erfahrung – wichtig, dass ihnen verschiedene Therapiemöglichkeiten vorstellt und sie ganzheitlich versorgt werden. Wenn chronisch Kranke als Selbstzahler zum Heilpraktiker gehen, weil sie merken, dass ihnen naturheilkundliche Mittel guttun und sie auch mental unterstützt werden, dann hat das eine hohe Aussagekraft. In Arztpraxen bekommt man bei akuten Beschwerden oft schwer Termine. Da könnten versierte Heilpraktiker einiges auffangen.

Bezüglich einer konkreten Zusammenarbeit kann ich mir gut vorstellen, dass beispielsweise Hautärzte mit Heilpraktikern kooperieren: Viele Hautkrankheiten gehen auf eine gestörte Darmflora zurück. Mit einer Darmtherapie könnten Heilpraktiker die ärztliche Behandlung gut unterstützen.

Momentan wird die Neuordnung des Heilpraktiker-Berufes öffentlich diskutiert. Was denken Sie hierzu?

Ich habe die Sorge, dass viele pflanzliche Heilmittel, die infundiert oder injiziert werden, nicht mehr eingesetzt werden können. Sie werden von Ärzten kaum verschrieben und werden auch nur selten zur Kenntnis genommen. Doch gerade mit ihnen lässt sich die Lebensqualität von Patienten häufig verbessern. In diesem Zusammenhang bedaure ich die Debatte, dass den Heilpraktikern die Möglichkeit von Injektionen und Infusionen gestrichen werden könnte. Es wäre sehr schade, wenn diese Möglichkeiten untergehen würden.

Zudem halte ich es für wichtig, dass der Gesetzgeber Heilpraktikern weiterhin einräumt mit den bisherigen Mitteln und Methoden arbeiten zu dürfen. Nicht zu vergessen: Es gibt in Deutschland 47.000 Heilpraktiker und Heilpraktikerinnen, die ihren Beruf verantwortungsvoll ausüben – sie behandeln pro Woche durchschnittlich 885.000 Menschen!
Es ist in jedem Fall zielführend, wenn es weiterhin Vorgaben und Richtlinien gibt, unter welchen Bedingungen meine Berufsgruppe was wie machen darf. Auch für die Ausbildung befürworte ich feste Richtlinien: Es ist wichtig, dass gute Heilpraktiker nach klarem Regelwerk ausgebildet werden.

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